Die Prüfung zum amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr erfolgt durch die zuständigen Behörden der Bundesländer aufgrund einer Verordnung, und zwar der Verordnung zur Durchführung des Kraftfahrsachverständigengesetzes (KfSachvV). Verordnungen sind Rechtsnormen, die nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber, sondern von der Verwaltung erlassen werden, auf Bundesebene regelmäßig von den zuständigen Fachministerien. Sinn und Zweck dieser Befugnis besteht darin, möglichst schnell zum Schutz und zum Wohl der Bevölkerung auf Veränderungen reagieren zu können. So die Theorie.
In der Praxis wurde die KfSachvV 1971 vom Bundesminister für Verkehr erlassen und, soweit es auf das darin geregelte Prüfungsverfahren ankommt, nicht mehr wesentlich geändert. Nun ist es aber so, dass sich die Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungs- als auch des Bundesverwaltungsgerichtes zwischenzeitlich deutlich fortentwickelt hat und bereits seit den 90er Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts zum Schutze der Absolventinnen und Absolventen von berufsbezogenen Prüfungen deutlich strengere Anforderungen an die Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens stellt. Hierdurch soll die Chancengleichheit in höherem Maße gewährleistet und insbesondere Willkür ausgeschlossen werden. Zusätzlich sind Abschlüsse, die aufgrund von klar normierten Prüfungsordnungen verliehen werden, vergleichbar. Auch darin liegt ein Gerechtigkeitsgewinn.
Die KfSachvV wurde zwar zwischenzeitlich immer mal wieder geändert, zuletzt 2015, aber das wurde nicht zum Anlass genommen, die Bestimmungen über das Prüfungsverfahren auf den aktuellen Stand zu bringen und die Anforderungen der aktuellen Rechtsprechung in das Prüfungsverfahren einzupflegen. Das führt heute dazu, dass diese Verordnung eigentlich keine wirksame Rechtsgrundlage für eine Prüfung mehr darstellen kann, die den Anforderungen des Grundrechts auf Berufs- und Ausbildungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG genügen kann.
Darauf kam es aber in dem für unseren Mandanten zu führenden Verfahren noch nicht entscheidend an. Denn das Land Nordrhein-Westfalen hatte sich auch nicht an die (noch) wirksamen Bestimmungen in der Verordnung (die gibt es auch noch) gehalten. Denn diese sehen vor, dass die einzelnen Prüfungsabschnitte mit Noten aus dem Spektrum 1 bis 6 zu bewerten und im Anschluss zur Gesamtnote zu verrechnen waren, wobei – bis auf die praktische Prüfung – jede Prüfungsleistung von dem gesamten, aus mindestens drei Prüfenden bestehenden, Prüfungsausschuss bewertet werden musste. Stattdessen wurden sämtliche Prüfungsleistungen jeweils nur von zwei Prüfenden bewertet und diese vergaben nicht, wie die KfSachvV es den Prüfenden zumutet, jeweils eine eindeutige Note aus einer Skala von 1 bis 6, sondern bildeten auch noch Zwischenwerte, vergaben also beispielsweise nicht nur eine 4, sondern auch 4 + und 4 -.
Dass sich das am Ende der gesamten Prüfung bei der Gesamtnotenbildung auswirken kann, liegt auf der Hand: Bei mindestens drei Prüfenden könnte das Ergebnis der Bewertung ausgewogener ausgefallen sein und bei der Verrechnung von vollen Zahlenwerten kommt ein anderes Ergebnis heraus als bei der Verrechnung von Zwischenwerten.
Das sah auch das Verwaltungsgericht Köln so und schlug dem Land Nordrhein-Westfalen vor, sich vergleichsweise mit dem Kläger zu einigen. Dieser erhält nun einen neuen Prüfungsversuch in dem Teil der Prüfung, der nicht korrekt durchgeführt wurde. Dadurch besteht die Möglichkeit für ihn, die Prüfung im Ergebnis doch noch bestehen zu können. Dafür wünschen wir ihm viel Erfolg.
Dr. Jürgen Küttner steht Ihnen insbesondere im Prüfungsrecht und im Beamtenrecht als hochqualifizierter Ansprechpartner zur Verfügung.