Alle Landeshochschulgesetze berechtigen die in ihrem Land befindlichen Hochschulen zur Verleihung von Doktorgraden und zum Erlass von jeweils eigenen Regelungen hierüber. Davon machen im Rahmen der Satzungsautonomie die einzelnen Hochschulen, mitunter sogar auch deren verschiedenen Fachbereiche, durch jeweils eigene Ausgestaltungen Gebrauch.
Zwar gibt es einige gängige Gemeinsamkeiten bei diesen Promotionsverfahren. So sehen alle Promotionsordnungen vor, dass es einer schriftlichen Arbeit (der sogenannten Dissertation) und einer anschließenden mündlichen Prüfung (heute überwiegend einer Verteidigung der Dissertation, einer sogenannten Disputation, oder seltener einer allgemeinen mündlichen Prüfung, eines sogenannten Rigorosums) bedarf. Meistens verlangen die Promotionsordnungen auch, dass zunächst die Dissertation eingereicht wird und nur dann, wenn diese eine Mindestqualität aufweist, anschließend die mündliche Prüfung stattfindet. Vielfach ist die Dissertation vor einer solchen sogenannten Annahmeentscheidung oder in der Zeit zwischen ihrer Annahme und der mündlicher Prüfung hochschulintern auszulegen, gelegentlich nur wenige Wochen, in anderen Fällen über Monate. Aber zwingend ist das alles nicht.
Die jeweiligen Anforderungen an Dissertationen (z.B. ein Werk mit oder ohne Seitenhöchstbegrenzung, innerhalb einer bestimmten Frist einzureichen oder nicht und so fort) und mündliche Prüfungen (neben Disputation oder Rigorosum auch öffentlich oder nicht, kurz oder lang, nur vor den Prüfenden, vor fachinteressiertem Publikum oder auch vor Gästen und sofort) können daher schon von Fachbereich zu Fachbereich derselben Hochschule verschieden sein.
Noch unterschiedlicher sind die Ausgestaltungen des eigentlichen Prüfungsverfahrens: Manche Promotionsordnung sieht vor, dass eingeschrieben sein muss, wer promoviert, bei anderen ist dies nicht erforderlich. Manche kennen ein zwingendes Betreuungsverhältnis, andere jedoch nicht. Manche kennen nur ein einziges zuständiges Organ, regelmäßig heißt dieses Promotionsausschuss (aber zwingend ist auch dies nicht), andere kennen darüber hinaus - oder stattdessen - auch eine Promotionskommission, wieder andere verlangen zusätzliche Gutachterinnen beziehungsweise Gutachter, die häufig durchnummeriert werden (Erst-, Zweit-, Drittgutachterin bzw. -gutachter) und von derselben Hochschule sein müssen oder auch von anderen Hochschulen kommen dürfen, manche Promotionsordnungen regeln, dass Gutachterinnen und Gutachter Mitglieder der Kommission sind und beziehungsweise oder dass die Mitglieder der Promotionskommission ganz oder teilweise auch dem Promotionsausschuss angehören … Der Phantasie sind da keine engen Grenzen gesetzt.
Zusätzlich müssen diese Vorschriften auch fehlerfrei ausgelegt und angewendet werden. Daran fehlte es in dem Fall unseres Mandanten. Ausgangspunkt ist, dass auch eine Promotionsordnung eine Prüfungsordnung ist. Und die Beantwortung der Frage, ob eine Dissertation ein ausreichendes Niveau erreicht, um angenommen zu werden, ist die Bewertung einer Prüfungsleistung.
Die einschlägige Promotionsordnung sieht vor, dass für die Bewertung der Frage, ob eine Dissertation angenommen werden kann, zunächst zwei Gutachten erstellt werden müssen und wenn diese zu relevant unterschiedlichen Ergebnissen kommen, also ein Gutachten die Annahme befürwortet und das andere Gutachten empfiehlt, die Dissertation nicht anzunehmen, ein drittes Gutachten einzuholen ist. Danach muss aber der Promotionsausschuss über die Annahme entscheiden. Mitglieder des Promotionsausschusses sind eine vorsitzende Person, die beiden Personen, welche die ersten beiden Gutachten erstellt haben und mindestens zwei weitere Personen.
Schon die Regelung, dass ein solches Prüfungsorgan mit einer Mindestanzahl von Prüfenden zu besetzen ist und nicht die präzise Zahl der zur Entscheidung berufenen Personen bestimmt, ist rechtswidrig. Darauf kam es im Falle unseres Mandanten allerdings nicht an. Denn eine Prüfungsleistung darf nur bewerten, wer sie selbst zur Kenntnis genommen hat. Es fehlte jedoch schon eine Dokumentation darüber, dass alle Mitglieder des Promotionsausschusses die Dissertation überhaupt vor dem Beschluss über die Annahme gelesen hatten. Weil insoweit jegliche Dokumentation fehlte, die Hochschule aber die Beweislast für ein fehlerfrei durchgeführtes Prüfungsverfahren trägt, war aus unserer Sicht davon auszugehen, dass der sogenannte Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt wurde, der nun mal verlangt, dass jede Person, die eine Prüfungsleistung zu bewerten hat, sämtliche bewertungsrelevanten Leistungen selbst, richtig und vollständig zur Kenntnis nimmt.
Das sah auch das Gericht so und teilte dies der beklagten Hochschule mit.
Im Anschluss gelang eine vergleichsweise Einigung und die Dissertation unseres Mandanten muss nun erneut dahingehend bewertet werden, ob sie angenommen werden kann, wobei aber einer der Gutachter, der die Ablehnung empfahl, durch eine neue Person ersetzt werden muss.
Dr. Jürgen Küttner steht Ihnen insbesondere im Prüfungsrecht und im Beamtenrecht als hochqualifizierter Ansprechpartner zur Verfügung.