16. Juni 2023

Der Kampf um Transparenz: Das Recht auf Akteneinsicht für Prüflinge

In der Welt der Bildung und Ausbildung ist die Prüfung ein entscheidender Moment, der über den Erfolg oder Misserfolg eines Prüflings entscheidet. 

Doch was passiert, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Prüfung aufkommen? In solchen Fällen stellt das Recht auf Akteneinsicht ein bedeutendes Werkzeug dar, um die Transparenz der Bewertung zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Prüflinge fair und gerecht behandelt werden. 

Dieser Text beleuchtet die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung und wie der Prüfling sein Recht auf Akteneinsicht durchsetzen kann. 

Der Kampf um Transparenz:

Das Recht auf Akteneinsicht ist ein grundlegendes Element des rechtsstaatlichen Prinzips und findet auch im Bildungssystem Anwendung. Es ermöglicht Prüflingen, ihre Prüfungsunterlagen einzusehen und sicherzustellen, dass die Bewertung und Entscheidungen der Prüfer gerechtfertigt sind. Es gibt den Prüflingen die Möglichkeit, eventuelle Fehler oder Unregelmäßigkeiten aufzudecken und gegebenenfalls dagegen vorzugehen. Mit der Einführung der Datenschutzgrundverordnung haben Prüflinge Anspruch auf Zurverfügungstellung unentgeltlicher (digitaler) Kopien Ihrer Prüfungsunterlagen. Trotz der erst jüngst ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 30.11.2022 - 6 C 10.21) versuchen es Prüfungsämter als auch Behörden immer wieder, die Akteneinsicht entweder zu verhindern oder unnötig zu erschweren. Es ist manchmal wie ein Kampf gegen Windmühlen.

Der Weg zur Prüfungsakte:

Das Recht auf Akteneinsicht ermöglicht es Prüflingen, den Prozess der Bewertung nachzuvollziehen und ihre Rechte auf Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) und der Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) zu verteidigen. Es trägt dazu bei, Vertrauen in das Prüfungssystem aufzubauen und sicherzustellen, dass Prüfungen fair und objektiv durchgeführt werden. 

Die Kämpfe um das Recht auf Akteneinsicht verdeutlichen die Relevanz dieses grundrechtlich geschützten Rechts und zeigen, dass Prüflinge - notfalls mit anwaltlicher Hilfe - bereit sind, für ihre Rechte einzustehen.

Wird durch die Prüflinge ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, heißt es teilweise redundant als Antworten vom Prüfungsamt: 

"Ja, aber nur am Tag [...] in den Zeiten von..., keine Abschriften..., keine Fotos..., keine Kopien und nur mal kurz reinschauen". 

Solche Auskünfte sind nicht nur weit verbreitet und offenbar leider immer noch "übliche Verwaltungspraxis", entsprechen aber nicht der geltenden Rechtslage. Der Prüfling hat einen Anspruch auf unentgeltliche Überlassung von (digitalen) Kopien seiner Prüfungsleistungen, ohne wenn und aber. 

Werden wir als Rechtsanwälte eingeschaltet, so sind unsere Kanzleistandorte mitunter nicht an den Orten, wo sich die Prüfungsämter befinden, d.h. die Prüfungsunterlagen müssen versendet werden. Wird die Versendung verweigert, ist dies rechtswidrig. Wird nur Akteneinsicht vor Ort gewährt, ist dies rechtswidrig. In vielen Fällen erhalten wir mittlerweile und dankenswerterweise die Prüfungsunterlagen in digitaler Form, aber die Fälle häufen sich, in denen uns Originalakten (getackert und/oder mit einem Siegel versehen) übersendet werden und uns mitgeteilt wird, dass die Entheftung der Prüfungsunterlagen im Original auf unser "Risiko" geschieht. Diese "übliche Verfahrenspraxis" ist  mit gesundem Menschenverstand nicht mehr zu erklären, führte dann aber dazu, dass wir mehrere gerichtliche Eilverfahren geführt haben, in dem uns dann die Prüfungsunterlagen digital zur Verfügung gestellt wurden. Es steht zwar im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, die Akten im Original oder als Fotokopie uns zuzusenden (vgl. § 29 Abs. 3 S. 2, 2. Halbsatz VwVfG). Aber wenn wir ausdrücklich einen Antrag nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO stellen, dann ist über diesen Antrag auf Grundlage der Norm zu entscheiden, was leider - immer noch vielfach - missachtet wird. Entsprechendes gilt auch, wenn der Prüfling zunächst selbst sein Recht auf Akteneinsicht wahrnehmen möchte. Der datentschutzrechtliche Auskunftsanspruch soll für den Betroffenen Transparenz schaffen und ihm das für die Durchsetzung dieses Grundrechts notwendige Wissensfundament an die Hand geben (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Juni 2021 – 16 A 1582/20 –, juris).

Warum überhaupt Akteneinsicht?

Ohne Akteneinsicht kann eine Prüfungsanfechtung nicht durchgeführt werden, die in aller Regel mit einem Widerspruch zur Einleitung des Überdenkungsverfahrens beginnt. 

Das Überdenkungsverfahren stellt deshalb im Prüfungsrecht einen nach den Art. 12 Abs. 1 und 19 Abs. 4 GG unerlässlichen Ausgleich für die beschränkten Kontrollbefugnisse der Gerichte dar (Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl., Rn. 759 ff. m.w.N., insbes. aus der Rspr. des BVerfG). Damit kommt dem Vorverfahren gegenüber einem sich später evtl. anschließenden gerichtlichen Verfahren für den Grundrechtsschutz eine mindestens ebenso große Bedeutung zu. Das Verfahrensrecht kann deshalb in diesem Stadium nicht weniger Rechte gewähren als im Stadium des gerichtlichen Verfahrens, in dem den Prüflingen die von ihm ggf. reklamierten Verfahrensrechte ohne Weiteres zustünden.

Ein Überdenkungsverfahren findet aber (mit Aussicht auf Erfolg) nur insoweit statt, als der Prüfling konkrete und substantiierte Einwendungen erhoben hat. Solche Einwendungen gegen die Bewertung von Prüfungsleistungen kann der Prüfling regelmäßig nur vortragen, wenn er die ggf. mit Korrekturen vermerkten und Bewertungsbegründungen der Prüfer versehenen Prüfungsarbeiten und sonstigen -leistungen einer zeitlich und sachlich ausreichenden Überprüfung unterziehen kann. Das gilt insbesondere, wenn es darum geht, die fachliche Richtigkeit oder Vertretbarkeit eigener Ausführungen durch Gegenüberstellung mit anderen ernsthaft vertretenen Meinungen zu belegen (BVerwG, Urt. v. 24.02.1993, NVwZ 1993, 681; OVG NW, Urt. v. 23.01.1995, NVwZ 1995, 800). 

Kann sich der Prüfling bei der Einsicht in seine Prüfungsakten allenfalls Notizen machen und wird ihm die Anfertigung von Kopien verwehrt, so wird ihm die Durchführung eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens und damit die Gewährung effektiven Rechtsschutzes unverhältnismäßig erschwert.

Der damit im Zusammenhang stehende datenschutzrechtliche Anspruch auf unentgeltliche Kopien der Prüfungsunterlagen (umstritten sind noch die Klausursachverhalte) folgt aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO. Damit wird das Recht auf Akteneinsicht für den Prüfling ungemein erleichtert, wenn dieser unentgeltlich (digitale) Kopien seiner Prüfungsunterlagen anfordern kann. Auch das Bundesverwaltungsgericht untermauerte, dass der Arbeitsaufwand für die Prüfungsämter als vergleichsweise gering zu beurteilen sei. Die Realität sieht aber teilweise noch anders aus. Lieber wird die Akteneinsicht verhindert oder unnötig erschwert, als kostenlose Kopien anzufertigen bzw. diese zugleich zu digitalisieren, denn viele Prüflinge - so sieht es auch das Bundesverwaltungsgericht - sind mit einer elektronischen Kopie, etwa im PDF-Format, zufrieden. Dem können wir uns nur anschließen, denn betrachtet man die von uns in der Vergangenheit durchgeführten Verfahren, deren damalige Hand- bzw. Papierakten auch mal archiviert werden müssen, ist der Wandel zur elektronischen Akte unausweichlich und bereits fester Bestandteil unseres Kanzleimanagements. Eine Papierakte gibt es bei teipel nicht mehr.

Fazit:

Das Recht auf Akteneinsicht ist für Prüflinge von enormer Bedeutung. 

Es stellt sicher, dass die Prüflinge ihre Leistungen nachvollziehen können, um ggf. gegen Beurteilungsfehler vorzugehen. Die aktuelle Rechtsprechung hat die Bedeutung dieses Rechts unterstrichen und Prüflingen die Möglichkeit gegeben, ihr Recht auf Akteneinsicht wahrzunehmen. 


 

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