25. Februar 2024

Jura Examen Anfechtung Prüfungsamt unterliegt

Jura Examen Anfechtung Prüfungsamt unterliegt
Jura Examen Anfechtung Prüfungsamt unterliegt

Prüfungsamt darf sich nicht in Neubewertung im Falle der Anfechtung einmischen

1. Ob Rechtsschutz gegen prüfungsrechtliche Entscheidungen durch die Erhebung einer Anfechtungsklage oder einer Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage zu suchen ist, richtet sich nach der Ausgestaltung der konkreten Prüfungsordnung.

2. In einem in zulässiger Weise angestoßenen Überdenkensverfahren sind die Prüfer nicht auf die Berücksichtigung jeweils für sich genommen durchgreifender Einwände beschränkt.

Was war passiert?

Die vorliegende Gerichtsentscheidung (BVerwG, Beschluss vom 14.12.2023 - 6 B 12.23) betrifft den Fall eines Rechtsreferendars in Nordrhein-Westfalen, der an den Aufsichtsarbeiten der Zweiten Juristischen Staatsprüfung teilgenommen hat. 

Prüfer:innen des Landesjustizprüfungsamts Nordrhein-Westfalen bewerteten eine der Klausuren im Strafrecht mit "ausreichend" (6 Punkte). Auch bei den weiteren Aufsichtsarbeiten erzielte der Kläger nicht die erforderliche Punktzahl, um zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden. Das Landesjustizprüfungsamt ließ den Kläger im März 2020 nicht zur mündlichen Prüfung zu, sondern überbrachte ihm stattdessen die Nachricht, dass er das Zweite Juristische Staatsexamen nicht bestanden habe und erklärte daraufhin die Prüfung insgesamt als nicht bestanden, da der Kläger nicht den erforderlichen Gesamtdurchschnitt erreichte.

Prüfungsamt beeinflusst die Prüfer:innen im Überdenkungsverfahren

Der Rechtsreferendar legte Widerspruch gegen das Prüfungsergebnis ein und machte Einwände gegen die Bewertungen seiner Aufsichtsarbeiten im ÜBerdenkungsverfahren geltend. Das Prüfungsamt holte sodann die Stellungnahmen der Prüfer:innen ein, wobei die Prüfer der Klausur im Strafrecht zunächst eine mögliche Anhebung der Bewertung von sechs Punkten ("ausreichend") auf "befriedigend" (7 Punkte) erwogen und dies in den Stellungnahmen verschriftlichten.

Nachdem das Prüfungsamt den beiden Prüfern mitteilte, dass die Anhebung der Bewertung "aus prüfungsamtlicher Sicht nicht ohne weiteres eingängig begründet" sei, entschieden sowohl der Erst- als auch der Zweitgutachter auf Drängen des Landesjustizprüfungsamtes, diese Hochstufung zurückzunehmen und bei der ursprünglichen Bewertung der Klausur mit sechs Punkten zu bleiben.

Der Rechtsreferendar klagte gegen den Widerspruchsbescheid. Das zuständige Verwaltungsgericht verpflichtete das Landesjustizprüfungsamt, die Prüfungsnote für die strafrechtliche Klausur auf "befriedigend" heraufzusetzen. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nicht zu. 

Landesjustizprüfungsamt erhebt Nichtzulassungsbeschwerde

Das Landesjustizprüfungsamt gab sich mit diesen beiden Entscheidungen nicht zufrieden und zog vor das Bundesverwaltungsgericht.

Die Beschwerde des Landesjustizprüfungsamts gegen die Nichtzulassung der Revision hatte keinen Erfolg: Das Gericht fand keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, keine Divergenz und keinen Verfahrensmangel. Es stellte fest, dass die Klage des Rechtsreferendars auf Aufhebung des Bescheids und Neubewertung der Prüfungsnote zulässig war und die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hierzu rechtens war.

Insgesamt wurde die Klage des Rechtsreferendars gegen das Landesjustizprüfungsamt durch den Instanzenzug erfolgreich durchgesetzt, und die ursprüngliche Bewertung der strafrechtlichen Klausur wurde auf "befriedigend" erhöht. 

Praxistipp

Die Durchhaltekraft des Prüflings ist bemerkenswert. Bereits mit dem Überdenkungsverfahren hatte der Prüfling die Zulassung zur mündlichen Prüfung erzielt, womit das Landesjustizprüfungsamt offenbar nicht einverstanden war. Ein vier Jahre anhaltender Rechtsstreit ist sicherlich eine Herausforderung im Hinblick auf Motivation und Durchhaltekraft. Am Ende haben die Gerichte rechtmäßig entschieden und die Einmischung des Justizprüfungsamt als rechtswidrig erachtet. Und das ist auch richtig so, denn das Prüfungsamt selbst verlangt ein anonymisiertes Überdenkungsverfahren und verlangt substantiierte Einwände. Wenn es dann noch in den ÜBerdenkungsprozess eingreift, ist die nicht nur unzulässig, sondern wirft starke Bedenken im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Prüfenden gegenüber dem Prüfungsamt auf. Dies auch vor dem Hintergrund der offenen Zweitbewertung. 

Dem Prüfling kann man nach vier Jahren Rechtsstreit nur wünschen, dass er die mündliche Prüfung besteht.

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