11. Juni 2023Privathochschulrecht, Verfahren

teipel erreicht erneut die Rücknahme einer Klage gegen eine private Hochschule

Wer am Tage einer Prüfung aufgrund einer Krankheit prüfungsunfähig ist, muss an ihr nicht teilnehmen. Denn insbesondere bei berufsbezogenen Prüfungen soll herausgefunden werden, ob die Teilnehmenden in gesundem Zustand über die für eine spätere berufliche Tätigkeit erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen und diese dann auch einsetzen können.

Trotzdem hierüber allgemein Einigkeit besteht, gibt es eine Fülle von Schwierigkeiten, die sich aus diesem Grundsatz und seiner Anwendung im Prüfungsrecht ergeben können. Das geht zunächst damit los, dass nicht jede Erkrankung zu einer Prüfungsunfähigkeit in jeder Prüfung führen muss, sondern regelmäßig zu differenzieren sein wird: Wer beispielsweise ein gebrochenes Bein hat, im Übrigen aber schmerzfrei ist, wird keinesfalls an einer sportpraktischen Prüfung teilnehmen können, wohl aber an einer schriftlichen, theoretischen Prüfung.

Außerdem wird unterschieden zwischen einerseits solchen Krankheiten, die für eine überschaubare Zeit zur Prüfungsunfähigkeit führen, beispielsweise einer Grippe oder einem unfallbedingten Schleudertrauma, und andererseits solchen, die lang andauern. Unter den lang andauernden Krankheiten wird wieder unterschieden, beispielsweise zwischen solchen, die dauerhaft zu einer Beeinträchtigung der Prüfungsfähigkeit führen wie beispielsweise ein Tennisarm bei handschriftlich zu fertigenden Klausuren, oder solchen, die temporär die Prüfungsfähigkeit einschränken können wie die Migräne bei einem akutem Anfall. Obwohl die Erkrankungen der beiden Gruppen häufig unter den Begriff der chronischen Erkrankung oder die Definition einer Behinderung im Sinne des zweiten Sozialgesetzbuches fallen, ist ihre prüfungsrechtliche Behandlung unterschiedlich: Kommt es zu einer akuten Migräneattacke, wird ein Rücktritt von der Prüfung wegen krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit in Betracht kommen. Der Tennisarm hingegen berechtigt nicht zu einem Prüfungsrücktritt, stattdessen aber zu einem Nachteilsausgleich, beispielsweise in Form einer Schreibzeitverlängerung. Erforderlich hierfür ist aber ein Antrag vor der Prüfung.

Vielfach wird im Prüfungsrecht bei den nicht nur kurzzeitig auftretenden Krankheiten zwischen Behinderungen, Dauerleiden und chronischen Erkrankungen differenziert und versucht, daran unterschiedliche Rechtsfolgen zu knüpfen. Das ist insoweit nicht in sich stimmig, als „chronisch“ von langer Dauer bedeutet und damit die chronische Erkrankung ein Dauerleiden ist, das wiederum, wenn es länger als sechs Monate andauert, gleichzeitig unter die gesetzliche Definition der Behinderung fallen kann.

Die Krankheit im Prüfungsverfahren in der richtigen Weise gegenüber der Prüfungsbehörde geltend zu machen, kann ebenfalls schwierig werden. Das geht schon damit los, dass eine ständige Beeinträchtigung - wie bereits erwähnt - grundsätzlich vor der Prüfung geltend gemacht werden muss und zu einem Nachteilsausgleich in der Prüfung führen kann (beispielsweise Ausschluss von Neonlicht bei Teilnehmenden mit Epilepsie, ablenkungsarme Umgebung für Studierende mit AD(H)S, Schreibzeitverlängerung beim bereits erwähnten Tennisarm), während die kurzzeitige Erkrankung (Grippe) und die Behinderung, die sich nur temporär einschränkend auswirkt (Migräneattacke) nur im akuten Fall geltend gemacht werden kann und zum Prüfungsrücktritt führt.

Der wegen einer erkrankungsbedingten Prüfungsunfähigkeit berechtigte Rücktritt muss außerdem unverzüglich geltend gemacht werden. Diese Voraussetzung der Unverzüglichkeit darf nicht unterschätzt werden. Oft ist in den Prüfungsordnungen bereits geregelt, was unter unverzüglich zu verstehen ist, wobei die Umschreibungen von „ohne schuldhaftes Zögern“ bis hin zur präzisen Angabe wie „innerhalb von drei Tagen“ reichen. Um eine missbräuchliche Ausnutzung des Rücktrittsrechts auszuschließen, stellt die Rechtsprechung immer höhere Anforderungen, je später der Rücktritt geltend gemacht wird, um insbesondere zu vermeiden, dass Teilnehmende nachträglich, insbesondere nach Bekanntwerden des Prüfungsergebnisses, durch Geltendmachung krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit chancengleichheitswidrig einen weiteren Prüfungsversuch erlangen können.

Vielfach wird sowohl bei Prüfungsrücktritten als auch bei Nachteilsausgleichsanträgen die Vorlage eines ärztlichen Attestes verlangt. Hilfreich ist es, wenn von der Prüfungsbehörde darüber hinaus ein Formular bereitgestellt wird, das eine entsprechende Routine und eine Liste der zu erfüllenden Voraussetzungen vorgibt, aber rechtlich zwingend ist dies nicht. Zulässig ist es auch, wenn die Prüfungsordnung die Möglichkeit vorsieht, dass bei mehrfachem Prüfungsrücktritt eine von der Hochschule zu bestimmende Arztpraxis ein Gutachten erstellen soll oder der Weg zur Amtsärztin angetreten werden muss.

Die Klägerin hatte am 25. November 2021 an einer Prüfung teilgenommen, die von unserer Mandantin, einer privaten Hochschule, abgehalten wurde. Es handelte sich um den Letztversuch der Klägerin in diesem Modul. Bei Nichtbestehen drohte mithin ihr Studium in diesem Studiengang zu scheitern. Leider musste die Prüfungsleistung mit „nicht bestanden“ bewertet werden. Gegen diese Bewertung erhob die Klägerin zunächst Widerspruch, und zwar im Februar 2022. Darin machte sie erstmalig eine mittelschwere Depression geltend, die im November 2021 zur Prüfungsunfähigkeit geführt habe. Selbstverständlich können auch psychische Erkrankungen zur Prüfungsunfähigkeit führen und daher zum Prüfungsrücktritt oder zu Nachteilsausgleichen berechtigen. Unsere Mandantin wollte daher der Klägerin entgegenkommen und hat angeregt, dass sie hierüber innerhalb einer zweiwöchigen Frist ein ärztliches Attest vorlegen sollte. Dann wäre möglicherweise ein nachträglicher Antrag auf Rücktritt von der nicht bestandenen Prüfung und damit ein weiterer Prüfungsversuch möglich gewesen.

Der erforderliche Nachweis muss aber wegen der oben geschilderten Unverzüglichkeit und den sich daraus ergebenden, mit fortschreitender Zeit immer höher werdenden Hürden für die Bewilligung eines nachträglichen Rücktritts dahingehend geführt werden, dass die Klägerin nicht nur am Prüfungstage krankheitsbedingt prüfungsunfähig war, sondern ihre Prüfungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt auch unverschuldet nicht erkennen konnte und dass sie jedenfalls ab dem Moment des Wegfalls dieser Beeinträchtigung und der Unkenntnis unverzüglich den Rücktritt erklärt hat. Zudem sind bei nachträglichen Attesten auch die Tatsachen zu benennen, aus denen sich ergibt, warum diese Feststellungen im Nachhinein getroffen werden können, was mit zunehmendem zeitlichen Abstand immer schwieriger wird.

Diesen Anforderungen wurde das von der Klägerin Mitte März 2022 eingereichte - zweifelsfrei gut gemeinte - Attest auch nicht in Ansätzen gerecht. Aus ihm ergab sich, dass die Klägerin bereits seit Juli 2021 und damit Monate vor dem Klausurtermin wegen ihrer psychischen Erkrankung in ärztlicher Behandlung war (Stichwort: Behinderung beziehungsweise Dauerleiden, daher vorheriger Antrag erforderlich und grundsätzlich nur Nachteilsausgleich möglich), gegen den ausdrücklichen Rat des Arztes an dieser und verschiedenen anderen Prüfungen teilnahm (Problematik: unverschuldet unerkannt krankheitsbedingt prüfungsunfähig) und dass sie aufgrund der im Juli 2021 begonnenen Behandlung auf dem Weg der Besserung sei (woraus sich gerade nicht ergibt, dass sie am Tage der Prüfung prüfungsunfähig krank war).

Unsere Mandantin hat daher den Widerspruch zurückgewiesen. In dem anschließenden Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Weimar hat die Klägerin dann weitere, nun ja, gut gemeinte fachärztliche Stellungnahmen des Arztes vorgelegt, die zwar die oben geschilderten Defizite des ersten Attestes ausräumen sollten, aber bereits allesamt nicht mehr unverzüglich waren und darüber hinaus im Ergebnis nicht dazu auch nicht taugten. So fehlte auch ihnen beispielsweise die nachvollziehbare Darstellung, aus welchen Gründen der Arzt im Nachhinein die Prüfungsunfähigkeit für einen nun mehr als vier Monate zurückliegenden Tag zu testieren vermochte.

Das sah dann nach entsprechendem schriftsätzlichem Vortrag durch teipel auch die Klägerin ein und erklärte die Rücknahme ihrer Klage.

Von Teipel & Partner mandatsführend:

Weitere Informationen zu Dr. Jürgen Küttner

  • Spezialist im Prüfungsrecht und Beamtenrecht 
  • Fachanwalt für Verwaltungsrecht seit 2008. 
  • Promotion zum Dr. „in utroque iure“ (kanonischem und weltlichem Recht)
  • Über 500 persönlich geführte Verfahren im Prüfungsrecht/Hochschulrecht
  • Erfolge vor dem Bundesverwaltungsgericht (sowohl Revisionsnichtzulassungsbeschwerde als auch Revision) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und dem Bundesfinanzhof.

Dr. Jürgen Küttner steht Ihnen insbesondere  im Prüfungsrecht und im Beamtenrecht als hochqualifizierter Ansprechpartner zur Verfügung.  

Dr. Jürgen Küttner war mandatsführend in folgenden Verfahren

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