Einsatz von ChatGPT zum Nachweis einer Täuschungshandlung?
Unsere Mandantschaft sah sich einem Täuschungsvorwurf einer Prüferin im Prüfungsrecht ausgesetzt. Vorgeworfen wurde im Rahmen des Masterstudiums u.a. Folgendes:
"Aufgrund dieser Tatsache kontaktiere ich [...] im Juni ein weiteres Mal, bevor ich mich dann im Juli an Sie im GPA wandte, weil Teile der Arbeit mir nicht von der Verfasserin zu stammen schienen (Plagiat) bzw. möglicherweise mit Hilfe einer KI erstellt sein könnten [...] Aufgrund des wirklich guten sprachlichen Ausdrucks in englischer Sprache (S. 1- 7), der in starkem Gegensatz zum Rest der Arbeit in deutscher Sprache steht (S. 8 -15), überprüfte ich einen Auszug mithilfe der KI ChatGPT 4.0 [...] auf die Wahrscheinlichkeit hin, dass der englische Text womöglich mit KI-Unterstützung verfasst wurde..."
Zudem wurde unserer Mandantin vorgeworfen, an mehreren Stellen des Portfolios gegen die wissenschaftliche Zitierweise verstoßen zu haben.
Anhörungsverfahren
Darauf hin erhielt unsere Mandantschaft die Möglichkeit, sich schriftlich oder mündlich zu dem Vorwurf der Täuschungshandlung zu äußern. In dem Anhörungsverfahren federführend war Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Christian Reckling, der den Vorwurf der Täuschungshandlung auf Grundlage des Einsatzes von ChatGPT für unzulässig hielt und dabei eine Vielzahl von Literaturstimmen zitierte. Die Verknüpfung von Künstlicher Intelligenz mit den Grundsätzen des Anscheinsbeweises sei rechtlich nicht haltbar.
Rückmeldung vom Prüfungsausschuss
Der Prüfungsausschuss befasste sich mit dem umfangreichen Schreiben im Anhörungsverfahren und sah vom Vorwurf der Täuschungshandlung ab. Die Prüfungsleistung wird nunmehr regulär bewertet, ein weiterer Erfolg im Prüfungsrecht.
Der Fall zeigt, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bildungsrecht vielseitige Probleme aufwirft, sowohl auf Seiten der Prüflinge als auch bei den Bildungseinrichtungen, die Künstliche Intelligenz nutzen, um Täuschungsversuche nachzuweisen.